Nach § 8 Mediationsgesetz hat die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag bis zum 26. Juli 2017 über die Auswirkungen des Mediationsgesetzes auf die Entwicklung der Mediation in Deutschland und über die Situation der Aus- und Fortbildung der Mediatoren zu berichten. Wir haben also eine Ahnung, wofür die Antworten des nachfolgend vorgestellten Fragebogens stehen sollen.

Irgendwie erinnert der Fragebogen an die Umfrage in der Studie von Giuseppe De Palo im Jahre 2014, "Rebooting the meditaion directive: Assessing the limited impact of its implementation and proposing measures to increase the number of mediations in the EU". Die Umfrage endete mit der einfallslosen Empfehlung, mehr "Mandatory Mediation"1 vorzuschreiben. Aus dem nunmehr vorliegenden Fragebogen spricht der Geist des Juristen.

Was sagen uns die Fragen?

  • Sind Sie Mitglied in einem oder mehrerer Verbände der Mediation?
    Im dort aufgeführten DFfM können keine Individuen Mitglied sein. Also ist der Antwortvorschlag in einem Fragebogen, der sich an Individuen richtet falsch. Der Verband integrierte Mediation wäre zB Mitglied beim DFfM, nicht aber sind die Mitglieder der integrierten Mediation dort Mitglied. Ein Verband ist nicht der Adressat des Fragebogens und füllt ihn auch nicht aus. Nachdem das DFfM nur 12 Mitgliedsverbände kennt2 , dürfte die Mitgliederzahl in der Auswertung des Fragebogens später nicht größer sein als 12. Beim korrekten Ausfüllen des Fragebogens muss sie sogar 0 sein. Ist die Zahl größer, wurde die Frage falsch beantwortet. Es gibt noch mehr Ungenauigkeiten auf die der Befragte beim Ausfüllen des Fragebogens stößt und die eine große Gefahr in sich bergen, dass später, bei der Auswertung, die falschen Schlussfolgerungen gezogen werden.
  • Wie lange sind Sie bereits im Bereich Mediation tätig?
    Wie ist diese Frage gemeint? Manche werden denken, es sei die berufliche Befassung gemeint. Wenn das gemeint war, fällt dann auch die Güterichtertätigkeit in den "Bereich Mediation"? Es ist eine richterliche Tätigkeit und keine Mediation iSd Mediationsgesetzes. Wohl ist es eine methodische Anwendung der Mediation. Die Schulmediation unterfällt ebenfalls nicht dem Mediationsgesetz, obwohl die Schulmediation im Fragebogen explizit aufgeführt wird. Evaluieren wir das Mediationsgesetz, indem wir auch Mediationen evaluieren die nicht dem Gesetz unterfallen?
  • Wirken Sie im Rahmen Ihrer beruflichen Tätigkeit oder privat auf andere Personen hin, eine Mediation durchzuführen oder in Betracht zu ziehen?
    Wirken wir Mediatoren nicht immer darauf hin? Ist das Hinwirken auf Personen gemeint, die einen Fall haben oder ist hier das Partygespräch aufzuführen? Welche Schlussfolgerungen mag diese Frage erlauben?
  • Fragen nach der Ausbildung
    Diese Fragen geben einen großen Interpretationsspielraum. Besonders die Stundenangabe ist wenig aussagekräftig. Es wird nicht nach Präsenz und Fernstudium unterschieden, obwohl die ZMediatAusbV hier einen (möglicherweise) falschen Akzent gesetzt hat. Es ist ein klares Versäumnis die Art der Stundenleistung und die Umstände nicht zu hinterfragen.
  • Welche Rolle spielten Praxiselemente im Rahmen Ihrer Ausbildung?
    Die Frage nach dem Wozu drängt sich auf. Ist gemeint: zum besseren Verständnis, zur Anschaulichkeit, zur Haltungsbildung, zur Nachvollziehbarkeit, zur Einprägung, zum Lernen, ... ? Ist gemeint: als Ersatz für ein fehlendes Curriculum oder als dessen Ergänzung? Gibt es ein didaktische Konzept und wenn ja, wie äußert sich das zur Bewältigung der Praxisrelevanz? Diese ergänzenden Fragen wären notwendige, um die Frage nach der Praxis in ein rechtes Licht zu rücken. Herausfordernd sind schließlich die %-Angaben. Die Einschätzungen werden relativ zu den Erfahrungen und Anwendungsoptionen des Antwortenden sein. Die bleiben jedoch im Verborgenen, weil sie nicht abgefragt werden. In der hier unterstellten Absolutheit jedenfalls sind die Antworten insgesamt nicht verwertbar. Hinzu kommen Ungenauigkeiten. Was wird unter Supervision verstanden? Sie wird offenbar nicht wie in der ZMediatAusbV differenziert nach Einzel- oder Fall- oder Gruppensupervision. Auch wird keine Mediation vorausgesetzt und keine Dokumentation abgefragt. Eine notwendige Korrektur der ZMediatAusbV lässt sich mit diesem Fragebogen kaum herbeiführen. Schließlich ist auch nicht vom Praxisbezug, sondern von Praxiselementen die Rede. Was sind Beispiele aus der Praxis, die der Dozent erläutert? Sind dass auch Praxiselemente?
  • Sind die verschiedenen Ausbildungen (Studium, die unterschiedlichen Ausbildungsinstitute etc.) Ihrer Meinung nach (in etwa) gleichwertig?
    Man könnte auch fragen: Sind die angebotenen Spülmittel im Supermarkt Ihrer Meinung nach gleichwertig? Die Frage könnte mit Ja und Nein beantwortet werden, abhängig von den zugrunde gelegten Kriterien. Wer will die Frage beantworten können, wenn er nur eine Ausbildung in einem Institut absolviert hat. Das war in seiner Wahrnehmung natürlich die beste, so dass die anderen zwangsläufig schlecht sein müssen. Wenn alle Ausbildungen gleichwertig wären, müsste man sich nicht für die eine oder andere entscheiden. Spannend ist der USP.
  • Wenn es Unterschiede gibt, worauf würden Sie diese zurückführen?
    Eigentlich müssten wir den USP jetzt kennen. Alles andere ist Spekulation. Sie Auswertung der Frage wird auch darunter zu leiden haben, weil die Kompetenz und das Interesse des Antwortenden nicht bekannt sind. Was meine ich, wenn ich "Qualität der Lehrkräfte" ankreuze oder Relevanz der Stunden. Die Frage lässt sich gar nicht beantworten, weil es ganz viele Einflussfaktoren gibt. Qualität kann Wissen, Persönlichkeit, Erfahrung use. sein, Stunden wirken unterschiedlich wenn sie beispielsweise im engen Raum bei 40 Teilnehmern ausgeführt wurden. Die Antworten basieren auf persönlichen Erfahrungen, die nicht relativiert werden können.
  • Was ist Ihrer Meinung nach besonders wichtig, um eine gute Mediatorin bzw. ein guter Mediator zu sein?
    Der Antwortvorschlag "Qualität der Ausbilderinnen und Ausbilder" würde zur Frage passen, was wichtig ist um ein guter Mediator zu werden. Das ist aber nicht abgefragt. Ich bin ein guter Mediator, wenn ich gute Mediationen mache. Wenn Mediation eine Verstehensvermittlung ist, dann bin ich ein guter Mediator, wenn ich viel verstehen kann. Wenn ich einen guten Ausbilder hatte, besagt das nicht dass ich diese Qualifikation erworben hatte. Wieder tauchen die Ausbildungstunden auf. Wieder ist nicht klar unter Elchen Bedingungen die Stunden gezählt werden. Es gibt Mediatoren mit mehr als 1000 Stunden Ausbildung, ohne dass es gute Mediationen sind.
  • In welchem Bereich bzw. in welchen Bereichen führen Sie Mediationen durch?
    Der Fragebogen bietet die Schulmediation als Beispiel an. Das sind keine Mediationen iSd Mediationsgesetzes! Der Vorschlag ist aber unschädlich, weil Mediationen im Bereich Erziehung & Bildung durch professionelle Mediatoren möglich sind. Sie Unterfallen auch dem Mediationsgesetz.
  • Wie viele Mediationen haben Sie im Jahr 2015, 2014 und vorher durchgeführt?
    Es ist eine gefährliche Frage, weil der sich aus der Antwort ergebende Trend nicht zwingend auf das Mediationsgesetz zurückgeführt werden muss. Der Grund für evtl. Veränderungen kann ein ganz persönlicher sein. Er wird nicht hinterfragt.
  • Wie viele Mediationen haben Sie in diesem Jahr bereits durchgeführt?
    Einschließlich der im Training? Wahrscheinlich sind nur die vergüteten gemeint. Das wird aus der Antwort nicht erkennbar sein.
  • Wenn sich Interessenten nicht für eine Mediation entschlossen haben, können Sie Angaben zu den Gründen machen?
    Diese Frage ist eine Herausforderung. Rein logisch muss sie sich auf die Fälle beschränken, wo es bereits eine Nachfrage nach Mediation kam, die aber abgelehnt wurde. Dann lautet die Frage korrekt: Wieviele Anfragen wurden zurückgezogen. Weil eine Nachfrage nach Mediation nur zustande kommt, wenn alle Parteien nachfragen, macht diese Frage nur Sinn, wenn auch hinterfragt wird, ob einer von zwei oder beide abgesagt haben. In der Mediation haben wir das Problem, dass zwei Parteien, die konfliktbedingt zur Ablehnung neigen, einander zusagen müssen. Auf diese, die Naschfrage beeinflussende Konfliktphänomene wird gar nicht eingegangen. Ebensowenig wie auf die Frage, wie die Mediation angepriesen wurde. Ein korrektes, sich auf den Bedarf des Kunden einlassendes Angebot wird anders angefragt als ein solches, das sich auf den Bedarf nicht einstellt. Wenn hier unterstellt wird, dass das Angebot korrekt war, ist das eine Unterstellung die weit entfernt von der Praxis ist und nicht einmal im Ansatz evaluiert wird.
  • Wie viele Mediationsgespräche (mit Vorgesprächen) waren für ein durchschnittliches Verfahren notwendig?
    Was hilft die Antwort auf diese Frage? Auch hier ist die Antwort zu relativieren. Es macht einen Unterschied ob von mehrstündigen oder kurzen Gesprächen ausgegangen wird. Es macht auch einen Unterscheid, in welchen Branche in welcher Stadt usw. der Mediator tätig ist und wo der Auftraggeber ansässig ist.
  • Wie sind die von Ihnen durchgeführten Mediationen üblicherweise verlaufen?
    Was bedeutet die Antwort, wenn nicht klar ist, inwieweit zwischen Konflikt und Problem unterscheiden wurde, wenn nicht klar ist, ob eine evaluative, facilitative, transformative oder integrierte Mediation durchgeführt wurde usw.
  • Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Kriterien dafür, dass die Konfliktparteien eine Mediation bei Ihnen suchen bzw. dieser zustimmen?
    Liegt die Betonung auf "Bei Ihnen"?.
  • Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Erfolgsfaktoren einer Mediation?
    Diese Frage hängt maßgeblich davon ab, was ich unter der Mediation verstehe und was ich von ihr erwarte. Da gibt es ganz sicher auch unter Profis Unterschiede. Von welcher Mediation sprechen wir? Die Anforderungen an eine transformative Mediation sind anders als die einer facilitation oder gar evaluativen Mediation. Es irritiert, wenn die Bereitschaft der Parteien, sich auf das Verfahren einzulassen, genannt und mit der Freiwilligkeit gleichgesetzt wird. Die Freiwilligkeit ist das jederzeitige Recht zu kündigen, ohne Angabe von Gründen. Es gibt den Parteien die Kontrolle über das Verfahren und damit auch indirekt über das Verhalten des Mediators und des Gegners. Natürlich ist es ein Erfolgsfaktor, dass die Parteien ihr Kündigungsrecht nicht wahrnehmen. Die spannende Frage ist aber doch, wer oder was bringt sie dazu, dies nicht zu tun und sich auf das Verfahren einzulassen? Etwa die persönliche kommunikative Kompetenz der Mediatoren? Trifft das auch zu, wenn die kommunikative Kompetenz nicht mit dem Wesen der Mediation einher geht? Wäre es nicht die mediative Kompetenz, die ihn befähigen sollte? Sollte die Frage also verneint werden? Der Befragte wundert sich auch, wie eine regelmässige Fortbildung zum Qualitätsmerkmal der Mediation werden kann? Die Qualitätsmerkmale der Mediation sind sicher nicht die Ausbildung. Sie ist nicht mehr, als bestenfalls ein Indiz für die Kompetenz des Mediators. Die Qualität lässt sich aber messen, so dass es handfeste, fallbezogene Kriterien gibt3 .
  • Wie zufrieden sind Sie im Hinblick auf die folgenden Aspekte? (Konkurrenzdruck durch "Telefonmediation"(durch Versicherungen ... Aufstellungen, Therapien etc))
    Dert Druck ist weniger durch Verfahren, sondern durch Personen. Anwaltsmediatoren werden zB gar nicht erwähnt.
  • In welcher Form läuft das Mediationsverfahren in Ihrer persönlichen Praxis in der Regel ab?
    Die Mediation ist bereits als Verfahren definiert. Der Begriff "Mediationsverfahren" ignoriert diese Definition (was dem Gesetzgeber übrigens auch vorzuhalten ist). Und was bedeutet der Vorschlag: "Formelles Verfahren wie in der Ausbildung vermittelt", wenn die Mediation ein informelles Verfahren ist? Ist ein flexibles Verfahren nicht durch situationsbezogenen Abweichungen geprägt, die aber keine Vereinfachungen, sondern Anpassungen sind? Was bedeutet bilaterale Verhandlung? Ist das eine Shuttle Mediation? Die richtige Antwort wäre natürlich: "Nach den Regeln der Kunst4 und den Anforderungen des Falles.

Fazit

Der Fragebogen erlaubt es nicht, Rückschlüsse auf die Entwicklung der Mediation in Deutschland zu ziehen und über die Situation der Aus- und Fortbildung der Mediatoren zu berichten. Dort wird versucht, die Relativität zu quantifizieren und eine Qualität zu hinterfragen, für die keine Kriterien festgelegt sind. Man kann nur hoffen, dass der Fragebogen durch die Forschung im Übrigen richtig gestellt wird. Dieser Beitrag mag helfen, rechtzeitige Korrekturen anzubringen. Es gibt drei kritische Anmerkungen zur Situation der Mediation in Deutschland:

1. Es wird verkannt, dass die Mediation anders ist und nicht mit den Maßstäben gemessen werden kann, mit denen andere Verfahren gemessen werden5 .
2. Die Implementierung der Mediation orientiert sich an Methoden, die nicht mit der Mediation kompatibel sind. Im Vordergrund steht ein unmediativer Wettbewerb bei dem es einerseits um die Ausbildung geht und andererseits um die Verteidigung von Märkten. Die Fragen lassen sich auf die dadurch bedingte Verschiebungen nicht ein.
3. Es ist völlig unklar, welche Vision mit der Implementierung der Mediation verfolgt wird. Geht es um eine Steigerung der Nachfrage, ein Business, eine Verbesserung der Streitkultur, eine Friedenspolitik? Je nach der Motivlage, färben sich die Antworten, ohne dass dies transparent wird.