Den Hintergrund für die Forderung des FDP-Politikers bildet die kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/3792). Die Anfrage war an die Regierung gerichtet. Laut der Pressemitteilung des Bundestages vom 20.8.2018 wollten die Abgeordneten vor dem Hintergrund des Mediationsgesetzes von 2012, der Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung von 2016 sowie dem Evaluationsbericht zum Mediationsgesetz von 2017 (18/13178) wissen, welche Maßnahmen sich die Bundesregierung überlegt hat, um die angestrebte Förderung der Mediation noch besser zu verwirklichen. Weiter fragen sie unter anderem, wie die Bundesregierung die Mediationslandschaft in Deutschland und die derzeitige Konstruktion der Mediationsförderung beurteilt und ob sie die Notwendigkeit der Schaffung einer staatlichen Prüfstelle für die Zertifizierung sieht1 .

Die Antwort kam prompt und auch die Reaktion darauf. Die Regierung soll geäußert haben, dass sie „eine frühzeitige konsensuale Beilegung von Konflikten ohne Inanspruchnahme der staatlichen Justiz insgesamt für eine sinnvolle Alternative zur gerichtlichen Konfliktlösung halte. Auch soll sie geäußert haben, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz derzeit prüfe, ob sich aufgrund des Evaluationsberichts gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt und gegebenenfalls welche gesetzgeberischen Maßnahmen von der Bundesregierung vorgeschlagen werden sollten2 .

Roman Müller-Böhm meint daraufhin, dass die Bundesregierung auch ein Jahr nach dem Evaluationsbericht weder etwas unternommen habe, noch wisse sie, wie viele Mediatoren es überhaupt gebe. Ist es eine logische Schlussfolgerung, wenn er dann behauptet: „So bleiben Gerichte überlastet und die Verfahren werden immer länger"? Die Kausalität erschließt sich jedenfalls nicht ohne Weiteres.

Wer genau hinschaut, sieht wie sich die Mediation entwickelt. Dazu muss nicht die Regierung befragt werden. Laut dem Roland Rechtsreport wird die Bekanntheit der Mediation immer größer3 . Auch Studien belegen, dass die Nachfrage ständig steigt4 . Die Evaluierung hat bestätigt, dass der Titel Zertifizierter Mediator auf die Förderung der Mediation wenig Einfluss hat. Die Feststellung, dass die Zahl der Mediatoren nicht bekannt sei, klingt wie ein Vorwurf. Zwar wird keine offizielle Statistik geführt. Es gibt allerdings valide Schätzungen. Aber was helfen sie? Und was hilft der Ruf nach dem staatlichen Gewaltmonopol? Müller-Böhm führt aus2 :

„Wir brauchen dringend staatlich anerkannte Prüfstellen und keine Selbstzertifizierung“. Mediatoren leisteten einen wichtigen Beitrag zum Rechtssystem, aber der Staat müsse auch bei der Mediation sein Gewaltmonopol wahrnehmen. „Nur so gewährleisten wir dauerhafte Qualität und Sicherheit“


Jede begriffliche Verbindung von Mediation und Gewalt stimmt nachdenklich. Abgesehen davon widerspricht die Forderung der Evaluierung des Mediationsgesetzes. Wer genau hinschaut, wird auch bemerken, dass die oft erwähnte Selbstzertifizierung nicht mehr ist als die Verwendung eines Ausbildungszertifikats. Zertifizierter Mediator darf sich nur nennen, wer ein Zertifikat vorlegen kann, das den Anforderungen der ZMediatAusbV sowohl inhaltlich wie umfänglich entspricht. Wäre es keine Selbstzertifizierung mehr, wenn das Ausbildungszertifikat den Auszubildenden direkt zum Mediator ernennt statt nur eine den Titel allein bedingende Ausbildung zu bescheinigen?

Bleibt der Ruf nach einer staatlich anerkannten Prüfstelle. Gesetz und Rechtsverordnung genügen offenbar nicht. Wie durch eine anerkannte Prüfstelle dauerhafte Qualität und Sicherheit für eine Dienstleistung gewährleistet werden soll, für die es bislang (mit wenigen Ausnahmen) weder Benchmarks noch verlässliche Standards gibt, wäre eine vorweg zu klärende Frage.

Die Ausbildung ist nur ein Aspekt, wenn es um die Förderung der Mediation geht. Die mangelnde Berufserfahrung ist ein anderer. Sie hängt von der Nachfrage ab. Blinder Aktionismus bewirkt keine Förderung der Mediation. Bereits die Einführung des zertifizierten Mediators hat eine unglückliche Marke gesetzt. Sie wird der Tätigkeit eines Berufsmediators nicht gerecht. Wer sich die Ausbildungsinhalte anschaut, erkennt, dass wesentliche Bereiche fehlen und dass die berufliche Tätigkeit des Mediators noch immer nicht losgelöst vom Ursprungsberuf gewichtet werden kann. Soll diese Marke etwa gefestigt werden, indem ihr noch ein Siegel aufgedrückt wird?

Die offizielle Schätzung des von der Bundesregierung zitierten statistischen Bundesamtes geht 2012 von 7500 Mediatoren aus und davon, dass jährlich 1000 Mediatoren hinzukommen. Demnach hätten wir heute ca.12.500 Mediatoren. Sind darin auch die in Mediation ausgebildeten Güterichter und die in Mediation ausgebildeten Mitarbeiter in Organisationen und Unternehmen eingeschlossen? Die inoffizielle Schätzung rechnet die ausgebildeten Mediatoren hoch und kommt auf eine Summe von mehr als 80.000. Aber was sagen uns die Zahlen, außer, dass ein Mediator (mit wenigen Ausnahmen) nicht von dem Beruf leben kann?

Die Nachfrage nach Mediation ist somit das zentrale Thema. Wenn sie gefördert werden soll, ist bei den Stellen anzusetzen, die Einfluss auf die Nachfrage haben. Die Bundesregierung dürfte dafür der falsche Ansprechpartner sein. Vorschläge, was die Regierung, der Gesetzgeber, die Kammern und Verbände zur Förderung der Mediation beitragen können, ergibt die Auswertung der Evaluierung, die als ein Signal zum Umdenken verstanden wird.

2 Siehe Handelsblatt Artikel von Heike Anger "Die Bundesregierung interessiert sich kaum für Mediation – obwohl sie viele Vorteile bietet"
4 Siehe die Studie zum Streitkulturindex