Die verpasste Zielsetzung
Wissensmanagement » Sie befinden sich auf der 7. Station der Konfliktbeilegungstour in der Abteilung Praxis.
Hier geht es um die zu erreichenden Ziele.
Ihre Reise durch eine Konfliktbeilegung: Wir befinden uns auf der siebten Station unserer Reise. Nähern wir uns dem Ziel? Das Ziel heißt: Finden. Es geht um die Frage, wie sich der gordische Knoten lösen lässt. Das Ziel der Mediation sei die Einigung, heisst es. Löst sie den Knoten? Bei genauem Hinsehen ist die Einigung nicht das Ziel, sondern bereits die Umsetzung der gefundenen Lösung.
Einig sein ist der Weg;
Genauer: Einig sein ist ein Teil des Weges.
Das Ziel ist es, den gordischen Knoten zu lösen.
Der Weg ist das Ziel
Kaum ein anderes Zitat kann besser beschreiben was die Mediation ist als Laotse's Erkenntnis: "
Es bedeutet, dass sich auf dem Weg zum Ziel Möglichkeiten ergeben, die übersehen werden, wenn man sich allzu sehr auf eine Lösung konzentriert, die nicht oder nur mit erheblichem Aufwand umzusetzen ist. Auch Schieferstein's "Tanz mit dem Moment", eine Erkenntnis mit buddhistischen Zügen trifft's, oder Trossen's an Star Wars angelehntes Obi Van Kinobi Zitat: "Vertrau der Macht" (nicht der Macht der Yedi Ritter, sondern der Macht der Mediation). Es ist die Macht der Mediationstheorie und das Vertrauen, dass sich die Zukunft auf der Basis des Verstehens von selbst ergibt. Für die Parteien bedeutet diese Erkenntnis, dass sie sich auf den Weg einlassen müssen.
Das Phänomen ist vielen Mediatoren bekannt. Sobald Verstehen möglich wurde, fallen die Lösungen wie reife Früchte von den Bäumen. Die Zukunft lässt sich immer passend gestalten. Es sind nicht die Anderen, die unsere Zukunft gestallten. Das sind wir selbst. Die Mediation hilft uns dabei. Sie findet in der Gegenwart statt und verzichtet darauf, die Vergangenheit aufklären.
Der Weg
Schon zu Beginn der Mediation müssen die Parteien sich darüber einig sein, wie sie vorgehen. Die Mediation ist ein Verfahren, das nicht auf Antrag nur einer Partei zustande kommt. Sie kann nicht einseitig abgerufen werden. Dann (je nach Mediationsstil und Eskalationsgrad) "pflastert" der geschickte Mediator den Weg mit einer Reihe von kleinen, fast selbstverständlich anmutenden Vereinbarungen über das Verfahren. Er beginnt mit dem Verfahrensritual. Nach dem Mediationsvertrag kommt die Mediationsdurchführungsvereinbarung, dann die Mediationabreden und schließlich - wenn die Lösung es so will - die Abschlussvereinbarung.
Das Ziel
Das Ziel der Mediation wird oft mit der Abschlussvereinbarung gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung ist jedeoch irreführend. Das Ziel ist das Finden der Lösung. Die Abschlussvereinbarung ist ein mögliches Ergebnis und bereits die Umsetzung des Ziels.
Juristen erkennen in der Abschlussvereinbarung natürlich einen Vertrag. Ein Vertrag ist Juristenwerk. Also wird behauptet, die Mediation sei eine juristische Methode, weil sie dazu beiträgt, Verträge abzuschließen. Wer so denkt muss natürlich die Herbeiführung eines Vertrages als das Ziel einer Mediation ansehen. Bei genauem Hinsehen bedarf es einer Differenzierung.
Ja das ist sicher eine Vereinbarung. Der entscheidende Vorteil, den die Mediation den Parteien gebracht hat, ist jedoch der Erkenntnisgewinn. Er machte es den Parteien möglich, den gordischen Knoten und ihr Dilemma zu lösen.
Ist das Einvernehmen über die Lösung auch ein Vertrag? Anders gefragt: Würde ein Vertrag ohne die Einsicht, dass und wie man sich in Zukunft mehr Aufmerksamkeit widmen sollte, überhaupt einen Sinn machen? Nicht jedes Einvernehmen erfordert einen Vertrag. Auch ein Notar wäre überflüssig. In dem Beispiel gibt es nichts zu beurkunden. Und dennoch war das Ziel erreicht - man hat eine Lösung gefunden, mit der man die Zukunft besser und zur beiderseitigen Zufriedenheit gestalten konnte. Das Ziel des Mediators war es, einen Erkenntnisgewinn zu vermitteln, oder wie eingangs definiert, Verstehen zu ermöglichen und zu vermitteln. Der Mediator hat den Kognitionsprozess ermöglicht. Damit hat die Mediation ihren wesentlichen Beitrag geleistet. Der Rest ist Abwicklung1 .
So wie das Mediationsgesetz die Mediation beschreibt spielt der Erkenntnisgewinn keine (große) Rolle. Was sollte ein Verbraucher, der lediglich sein Handy repariert wissen will an Erkenntnissen gewinnen können? Er will halt die Reparatur oder Schadensersatz. Auch die Motive ergeben keine große Bandbreite um den Kuchen zu vergrößern. Jetzt wird deutlich, warum es notwendig ist, die Mediation nach unterschiedlichen Mediationsmodellen einzuteilen. Sie beschreiben die voneinander abweichenden Schwerpunkte und somit die Herangehensweise des Mediators. Für den Verbraucher genügt durchaus eine evaluative Mediation, bei der tatsächlich der verbindliche Regulierungsvertrag im Vordergrund steht. Eigentlich ist das Niveau nicht höher als bei einer konventionellen Vergleichverhandlung.2
Das Ergebnis
Natürlich gibt es auch solche Fälle, wo die Lösung in höchst komplexe juristische Verträge umzusetzen ist. Der Vertrag schafft die gewünschte Verbindlichkeit. Die Abschlussvereinbarung wird nicht nur zum Spaß getroffen.
Manchmal bedürfen die Parteien eines Blockaden überwindenden Perspekivenwechsels, damit die Lösung und damit auch die Abschlussvereinbarung möglich wird. Was die Mediation erreichen will, ist Akzeptanz. Das Format, in dem die Akzeptanz sich manifestiert, ist dabei von sekundärer Bedeutung3 . Das bedeutet: selbst wenn es auf eines komplizierten Regelwerkes bedarf, um die Lösung umzusetzen, ist der Vertrag nicht die Lösung. Er ist "lediglich" die Manifestation der Lösung oder schon deren Umsetzung.
Die Verbindlichkeit der Lösung
Die Notwendigkeit der Differenzierung
Es macht einen strategischen Unterschied, ob das Ziel über das Ergebnis oder seine Bedingung definiert wird. Achtet der Mediator auf das Ergebnis, bewegt er sich schon deshalb außerhalb der Mediation, weil die Mediation ergebnisoffen ist. Die Ergebnisoffenheit bezieht sich natürlich auch auf den Ausgang. Der Mediator schießt förmlich über das Ziel hinaus. Der strategische Ansatz verändert sich mit dem Ziel. Mörderhai Mironi's4 ernüchternde Beobachtung des Untergangs der Mediation findet hier ihren Ursprung. Die Differenzierung zwischen Ziel und Ergebnis und die davon abhängige Wahl des Mediationsmodells trägt dazu bei, den Schwerpunkt und die Zielsetzung zu korrigieren. Die Mediation ist ergebnisoffen. Dazu gehört auch die Option, dass es keinen Vertrag geben muss. Der Vertrag an und für sich ist auch kein zwingendes Erfolgskriterium, umso weniger als man ihm seine Qualität nicht ansieht.
Solange der Erfolg der Mediation am Zustandekommen eines Vertrages (einer Einigung) ausgerichtet wird, wird die Qualität der Mediation verborgen bleiben. Auf das Format bezogen lässt sich ein Kompromissvergleich5 nicht von einer auf allseitiger Akzeptanz basierenden Lösung unterscheiden. Die Mediation wird zu einem statistischen Erfolg degradiert. Das am Ziel der Mediation zu messende Erfolgskriterium ist somit die auf einem unterschiedlich zu gewichtenden Erkenntnisgewinn basierende Lösungsfindung. Sie bestimmt den Weg. Wenn das Ziel die Lösungsfindung ist, ist der Weg dorthin die gemeinsame Suche nach einer von allen zu akzeptierenden Lösung. Das sollte man niemals aus den Augen verlieren.
Der Maßstab
Es stellt sich heraus, dass der Nutzen, also das was die Lösung einbringen soll, oft nur ein Zufallsergebnis ist. Die Ausführungen zum BREXIT belegen das Phänomen.6
Ein anderes Beispiel ist die Klage des Mannes, der nach der zweiten Scheidung feststellt, dass es die Scheidungen eigentlich nichts gebracht haben. Die einzigen, die verdient haben seien die Anwälte. Wäre es nicht sinnvoll, vorher an den Nutzen zu denken und ihn nicht dem Zufall zu überlassen? Das jedenfalls ist die Herangehensweise der Mediation. Sie macht den Nutzen zum Maßstab der Lösung und nicht zu einer zufälligen Folge daraus.
Die Kriterien für eine gute Lösung ergeben sich somit aus den Erhebungen der 3.Phase. Die Parteien orientieren sich an der (imaginär) heilen, konfliktfreien Welt, wenn sie eine Lösung suchen. Mit diesem Fokus wird sichergestellt, dass die Lösung den Konflikt nicht nur überwindet, sondern dass sie auch den größten Nutzen gerantiert. Der Nutzen wird nicht unterstellt. Er muss erarbeitet weden.
Verfahrensstand
Im Babysitterfall haben die Parteien eine gute Lösung gefunden. Sie haben erkannt, dass sie sich über die Beziehung nicht einig waren. Die Kindesmutter, die sich verlassen gefühlt hat, macht das dem Vater zum Vorwurf. Umgekehrt macht der Vater der Mutter zum Vorwurf, dass sie ihn dazu gebracht habe sich so zu benehmen. Die Eltern haben erkannt, dass diese Beziehungsstreit auf der Paasrebene von der Elternebene zu trennen ist und dass sie als Eltern in der Lage sein wollen, Einvernehmen zu erzielen und besser auf ihre Bedürfnisse zu achten.
Auf dieser Station der Reise sehen Sie bereits Land. Wir haben alle Schwierigkeiten und Herausforderungen überwunden und bereitsn uns auf den Ausstieg vor. Die nächste Station ist die Endstation.
Klicken Sie auf den Fahrschein, um zur nächsten Station zu gelangenEine Liste der Fragen und Entscheidungen entlang der Konfliktbeilegung finden Sie in der Zusammenfassung
Quellenangaben: Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Alias: Zielausrichtung
Siehe auch: Qualität, Lösungsorientierte Kurztherapie, Ziel