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Widerstand und Mediation

Wissensmanagement » Diese Seite ist der Kategorie Konfliktphänomenologie des Archivs in der Wiki-Abteilung Wissen zugeordnet. Eine logische Verknüpfung erfolgt mit der Rubrik Konflikt, also dem 6. Buchabschnitt des Fachbuchs Mediation und den Konfliktphänomenen. Bitte beachten Sie auch:

Konflikt Widerstand kognitive Dissonanz Phase zwei Eintrag Suche

Widerstand ist ein komplexes Phänomen, das tief in der menschlichen Psyche verwurzelt ist und sich im sozialen Verhalten auswirkt. Grundsätzlich bedeutet Widerstand eine Abwehr. Er drückt sich meist in einer Handlung oder Unterlassung aus, mit der sich die Partei einer An- oder Aufforderung widersetzt. Der Widerstand ist ein Phänomen, das auch in der Mediation zu behandeln ist. Der Begriff wird sogar explizit als eine Herausforderung in der Ausbildungsverordnung erwähnt.1 Er ist nicht nur deshalb ein Phänomen, mit dem die Mediation zurecht kommen muss.

Erscheinungsform des Widerstands

Widerstand bedeutet, sich zu widersetzen. Die Frage ist wogegen? Das ist die erste und wichtigste Frage, die der Mediator zu klären hat, wenn er auf Widerstand stößt. Der Widerstand kann sich in einem aktiven Wehren oder einem passiven Verweigern ausdrücken. Manifestationen sind zum Beispiel:

  1. Verleugnung und Rationalisierung: Menschen können die Realität leugnen oder versuchen, unangenehme Ereignisse oder Informationen rational zu erklären, um ihr eigenes Verhalten zu rechtfertigen. Im Konflikt macht sich dieses Verhalten bemerkbar, indem die Partei krampfhaft an ihren Narrativen festhält.
  2. Prokrastination: Aufschieben von Aufgaben oder Verantwortlichkeiten kann eine Form des Widerstands sein, um unangenehmen oder herausfordernden Aufgaben aus dem Weg zu gehen.
  3. Konfliktvermeidung: Menschen können sich konfliktreichen Situationen entziehen, um Spannungen zu vermeiden oder ihr eigenes Selbstbild aufrechtzuerhalten. Im Extremfall kann es zu einer Konfliktleugung kommen.
  4. Regression: In stressigen oder unsicheren Situationen kann Widerstand in Form von regressivem Verhalten auftreten, bei dem Menschen zu früheren Bewältigungsmechanismen zurückkehren. Sie benehmen sich wie unreife Kinder.
  5. Reflexverhalten: Der Widerstand jann auch einfach nur die reaktionäre Verdeutlichung der Ablehung des Gegerens (oder dessen Verhaltens) im Konflikt sein. Er kann auf einem Reflex oder auf strategischen Erwägungen beruhen. Er kommt besonders bei hoch eskalierten Konflikten zu Tragen, wo eine andere Form des Ausgleichs durch die Kommunikation nicht mehr zu erreichen ist.

Die Wurzeln des Widerstands

Der Widerstand kann vordergündig oder tiefgründig sein. Er lässt sich oft auf tief verwurzelte psychologische Prozesse zurückführen, die aus dem Streben nach Selbstschutz und Selbstbewahrung entstehen. Sigmund Freud sah im Widerstand ein zentrales Merkmal des Unbewussten. Seiner Auffassung nach entsteht Widerstand, wenn das Unbewusste versucht, verdrängte Gedanken, Emotionen oder Erinnerungen vor dem Bewusstsein zu schützen, um psychischen Schmerz oder Unbehagen zu vermeiden. Darüber hinaus können kulturelle, soziale und persönliche Faktoren eine Rolle spielen. Zum Beispiel können gesellschaftliche Normen, familiäre Erwartungen oder persönliche Erfahrungen dazu führen, dass Menschen widerstehen, sich neuen Ideen oder Veränderungen zu öffnen.

Die Bewältigung von Widerstand

Die Bewältigung des Widerstandes versucht, mit dem vorhandenen Widerstand umzugehen. Sie zielt darauf ab, den Widerstand zu verstehen, mit ihm zu arbeiten und Wege zu finden, um ihn zu verringern oder zu kontrollieren, ohne ihn zu brechen. Ansätze, die in diese Richtung gehen, sind z.B.:

  1. Akzeptanz: Der erste Schritt besteht immer zunächst darin, den Widerspruch zu erkennen und zu akzeptieren.
  2. Selbsterkenntnis und Reflexion: Indem Menschen sich ihrer eigenen Denk- und Verhaltensmuster bewusst werden, können sie beginnen, die Gründe für ihren Widerstand zu verstehen und neue Wege der Bewältigung zu erkunden.
  3. Therapeutische Interventionen: Therapeuten können klientenzentrierte Ansätze, kognitive Verhaltenstherapie oder andere therapeutische Techniken nutzen, um Menschen dabei zu unterstützen, ihre Widerstandsmuster zu erkennen und zu überwinden.
  4. Ermunterung zur Akzeptanz: Indem Menschen lernen, unangenehme Realitäten anzuerkennen und zu akzeptieren, können sie Wege finden, damit umzugehen und persönliches Wachstum zu fördern.
  5. Unterstützung durch soziales Netzwerk: Ein unterstützendes soziales Umfeld kann Menschen dabei helfen, ihren Widerstand zu überwinden, indem es ihnen emotionale Unterstützung, praktische Hilfe und positive Rückmeldungen bietet.

Die Bewältigung des Widerstandes wird oft in Settings verwendet, in denen Zusammenarbeit, Empathie und langfristige Veränderungen angestrebt werden. Es ist ein prozessorientierter Ansatz, der auf Verständnis und gegenseitiger Achtung basiert.

Das Brechen von Widerstand

Das Brechen des Widerstandes bildet den Gegensatz. Es ist ein völlig anderer Ansatz, um mit Widerständen umzugehen. Er zielt darauf ab, den Widerstand vollständig zu eliminieren. Der Bruch des Widerstands schaut mehr auf das Verhalten, als auf die Hintergründe. Er impliziert autoritäre oder dominante Maßnahmen. Entweder wird Macht (z.B. Entscheidungsmacht) oder Druck ausgeübt, um die gewünschten Verhaltensweisen oder Ergebnisse zu erzwingen. Es ist ein Mittel, auf das Konfliktparteien gerne zurückgreifen, wenn sie meinen über Macht oder Druckmittel zu verfügen. Sie setzen die Partei unter Druck, üben Zwang aus und lassen es dabei soigar auf einen Krieg ankommen, wenn die gegnerische Partei sich nicht beugt und sich für wehrfähig hält. Angestrebt wird eine Unterwerfung.

Die notwendige Auseinandersetzung

Es liegt auf der Hand, was eine Unterwerfung bewirkt. Es mag gelingen, ein Verhalten oder eine Unterlassung zu erzwingen. Wenn jedoch die Gründe für den Widerstand nicht geklärt werden, ist damit zu rechnen, dass er woanders wieder aufbricht.

Beispiel 16392 - Der Widerstand ergibt sich aus der Beziehung der Parteien zueinander. Sie hat zu einer totalen Ablehung des Gegners geführt. In einem Prozess obsiegt der Gegner. Statt den Widerstand zu brechen, hat er sich auf eine andere Ebene verlagert. Es kommt zu Folgeprozessen oder zu einem anderen Abwehrmechanismus, der dem Zustand der Beziehung entspricht. Der Widerstand wurde in einem Punkt zwar gebrochen. Er wurde aber nicht bewältigt.


Die Bewältigung des Widerstands ist somit immer die bessere Strategie. Sie erfordert, sich dem Widerstand zu stellen und ihn zu hinterfragen. Es wäre zu kurz gedacht, die Gründe nur in einer Partei zu suchen. Besonders dann, wenn der Widerstand in einem sozialen Konflikt zum Tragen kommt, spielt die Interaktion der Parteien eine wichtige Rolle. Üblicherweise wehrt sich ein Mensch nicht gegen etwas, womit er einverstanden ist. Der Widerstand deutet also darauf hin, dass die Partei mit irgendetwas nicht einverstanden ist. Das herauszufinden ist die Aufgabe des Mediators. Er sollte dabei beie Parteien im Blick haben und die Interaktion zwischen den Parteien hinterfragen. Denn möglicherweise richtet sich der Widerstaqnd ger nicht gegen die im Thema ausgedrückte Forderung (Position) an und für sich, sondern gegen die Person, die sie einfordert oder gegen die Art und Weise, wie sie eingefordert wird. Es entspricht den Bewältigungsstrategien, wenn geklärt wird, wogegen sich der Widerstand genau richtet.

Widerstand als Erkenntnisgewinn

Die Mediation ermöglicht eine Auseinandersetzung ohne Streit. Anders als ein Gerichtsverfahren zum Beispiel erfasst sie insbesondere auch die Motive des Streits, die gegebenenfalls im Widerstand zum Ausdruck kommen. Die Mediation bietet (fast) alles, was einen Widerstand erübrigt. Korrekt ausgeführt, ergibt sie keinerlei Anlass zum Streit. Wenn die Partei trotzdem Widerstand leistet, könnte das Verhalten darauf hinweisen, dass sie das Verfahren entweder nicht verstanden hat oder nicht bewältigen kann oder will. Wenn sie den Prozess der Mediation verstanden hat, kann der Widerstand auf eine Hürde oder ein Lösungshindernis hinweisen, das eine besondere Aufmerksamkeit verdient. Dann sollte der Mediator dankbar für den Widerstand sein, weil die Hürde dadurch sichtbar wird. Richtet sich der Widerstand explizit gegen die andere Partei, sind die Sichtweisen abzugleichen. Ein Perspektiv- und Sichtwechsel wird in der dritten Phase vollzogen, wenn die Mediation transformativ angelegt wird.

Der Widerstand ist ähnlich wie die Emotionen zu behandeln, wenn er sich nicht sogar in den Emotionen manifestiert. Die Emotionen weisen auf Bedürfnisse hin. Das gleiche gilt für den Widerstand. Statt sich also dagegen zu wehren und zu überlegen, wie die widerspenstige Partei zu knacken ist, sollte der Widerstand als ein Hinweis verstanden werden, der die Erkenntnis ermöglicht, was der Lösung im Wege steht. Es kommt also darauf an, den Widerstand zu verstehen. Wenn die Parteien selbst die Lösung finden sollen, wird dieses Verständnis von beiden Seiten erwartet. Hier zeigt es sich, was Vermittlung bedeutet.

Bedeutung für die Mediation

Die Mediation ist ein Erkenntnisprozess. Es fällt den Parteien nicht immer leicht, sich darauf einzulassen. Der Mediator wird den Widerstand spätestens dann bemerken, wenn die Partei Gedanken, die für den Fortgang des Prozesses wichtig sind, nicht (mehr) an sich herankommen lässt. Der Mediator muss also herausfinden, ob sich der Widerstand gegen das Verfahren, gegen die andere Partei oder gegen die Partei selbst richtet. Er muss erkennen, ob das Verhalten überhaupt ein Widerstand ist oder ob es etwas anderes zum Ausdruck bringt. Auch muss er in Betracht ziehen, dass die Partei gegebenenfalls aus ganz anderen Gründen nicht bereit oder in der Lage ist, dem Gedankengang der Mediation zu folgen. Dazu gehört auch die Prüfung der Mediationsfähigkeit.

Im Vordergrund steht immer die Frage, was zu tun ist, um den Punkt aufzugreifen und anzusprechen, wo die Gedanken der Partei stagnieren. Der Grund muss nicht immer im Widerstand liegen. Der Mediator muss versuchen, die Partei zu verstehen. Als ein flexibles Verfahren bietet die Mediation eine Fülle von Möglichkeiten, mit der Situation umzugehen. Wenn die Kraft der Mediation (der kognitive Ablauf der Mediation) nicht genügt, die Hindernisse zu überwinden und den Gedanken über den Widerstand hinwegzuhelfen, sind Interventionen angebracht. Abgesehen davon, dass der Versuch, den Widerstand zu brechen kaum mit dem Mediationsverständnis in Einklang zu bringen ist, könnte sich diese Herangehensweise als kontraproduktiv erweisen, weil sie sich gegen die Dynamik des Konfliktes wendet und einer Klärung im Wege steht. Es passt besser in die Mediation, wenn es dem Mediator gelingt, die Energie des Widerstands aufzunehmen und in ein Mitwirken umzuwandeln.

Beispiel 16393 - Der Mediator stellt in der Mediation an die Partei A gerichtet fest: "Das Verhalten des Gegners (oder was sonst als Anlass für den Widerstand festgestellt wurde) löst bei Ihnen einen großen Widerstand aus. (Wird näher beschrieben auch die dabei aufkommenden Emotionen). Was müsste passieren, damit diese Emotionen nicht aufkommen?". Die Partei meldet wahrscheinlich eine Lösung zurück, etrwa wie: "Dann muss der Gegner (dies oder jedes) tun". Das Bedürfnis erhellt sich, wenn der Mediator dann die Frage nachschiebt:; "Und was ist dann anders? (oder was haben Sie davon)"


Das Beispiel zeigt, dass es wenig Sinn macht, nach dem Warum des Widerstands zu fragen. Das würde wahrscheinlich noch mehr Vorwürfe provozieren. Der Mediator erkundigt sich deshalb danach, was den Widerstand erübrigen würde. Dabei achtet er darauf, dass die Antwort nicht aus Lösungsvorschlägen oder Vorwürfen besteht. Wenn die Auseinandersetzung mit dem Widerstand in der gemeinsamen Sitzung nicht möglich ist, können Einzelgespräche eine sinnvolle Intervention darstellen.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-04-29 10:48 / Version .

Siehe auch: Blockade, Herausforderung
Prüfvermerk: -


Based on work by Katrin Warneke und Arthur Trossen und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Dienstag April 30, 2024 20:30:03 CEST.

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